EXPERTENINTERVIEW EXPERTENTELEFON „OSTEOPOROSE“ am 25.04.2012
Was ist Osteoporose eigentlich genau?
- Dr. Stenglein-Gröschel: Osteoporose ist eine chronische Erkrankung des Knochens. Der Verlust von Knochenmasse führt dabei zu einer Veränderung der Stabilität des Knochens, der dann seine tragende Aufgabe nicht mehr erfüllen kann und schon bei geringer Belastung bricht.
Osteoporose wird mit den Wechseljahren in Verbindung gebracht. Warum besteht hier ein Zusammenhang und warum sind Männer seltener betroffen?
- Dr. Stenglein-Gröschel: Das weibliche Geschlechtshormon Östrogen schützt den Knochen vor zu viel Abbau. In den Wechseljahren fällt das Östrogen weg und der Knochenabbau gewinnt die Oberhand über den Knochenneubau. Bei Männern schützt das männliche Geschlechtshormon Testosteron vor dem Knochenabbau.
Zwar geht dies mit zunehmendem Alter auch zurück, doch der Rückgang verläuft nicht so rapide wie beim Östrogen.
Welche Rolle spielen die Gene bei der Entwicklung einer Osteoporose?
- Dr. Stenglein-Gröschel: Es gibt Hinweise auf einen Anteil an Osteoporose-Erkrankungen, die vererbt werden. Zwillings- und Familienuntersuchungen belegen die Bedeutung genetischer Faktoren auch für die Knochendichte. Wie neueste Forschungen zeigen, haben Frauen, in deren Familie gehäuft Knochenbrüche aufgetreten sind, ein doppelt so hohes Risiko, einen Bruch zu erleiden.
Wie kann man auf natürliche Art für gesunde Knochen sorgen?
- Dr. Stenglein-Gröschel: Viel Sport und Bewegung an frischer Luft schon in der Jugend fördern die Ausbildung einer hohen Knochenmasse, von der man im Alter zehren kann. Auch eine calciumreiche Ernährung und die Einnahme von Vitamin D verbessern außerdem die Knochengesundheit.
Viele Patientinnen wissen zunächst nicht, dass sie Osteoporose haben. Welche Anzeichen gibt es vor dem ersten Knochenbruch?
- Dr. Stenglein-Gröschel: Ich denke, jede Frau um die 50 sollte wissen, wo ihre Knochendichte zu Beginn der Wechseljahre liegt und wie hoch ihr persönliches Risiko ist. Damit könnte man gefährdete Frauen viel früher identifizieren. Knochenbrüche nach dem 50. Lebensjahr deuten auf eine Osteoporose hin. Weitere mögliche Anzeichen und Risikofaktoren sind eine Abnahme der Körpergröße, Untergewicht (BMI < 20), ein Rundrücken sowie akute oder chronische Rückenschmerzen. Einen Risiko-Test gibt es beispielsweise unter www.osteoporose.de.
Welche medikamentösen Behandlungsoptionen sind derzeit verfügbar? Bitte geben Sie einen kurzen Überblick.
- Prof. Dr. Matthias Schieker: Zusätzlich zur Basisbehandlung mit Calcium und Vitamin D sind spezifische Medikamente im Einsatz. Bisphosphonate gelten als Standardtherapie. Sie werden als Tablette oder Infusion verabreicht und sind sehr wirksam, werden als Tabletten aber häufig nicht korrekt eingenommen. Parathormone regen den Knochenaufbau an, werden aber nur in schwerwiegenden Fällen über maximal zwei Jahre eingesetzt und täglich gespritzt. Strontiumranelat, eine weitere Therapieoption, ist vergleichbar mit Bisphosphonaten und SERMs (selektive Estrogen-Rezeptor-Modulatoren). Das Pulver wird täglich in Wasser gelöst eingenommen. Einen neuen Wirkansatz verfolgt ein Antikörper, der seit etwa zwei Jahren erhältlich ist. Der Wirkstoff wird als Halbjahresspritze alle sechs Monate mit dünner Nadel direkt unter die Haut gespritzt.
Für wen sind die modernen Wirkstoffe geeignet?
- Prof. Dr. Matthias Schieker: Betroffene sollten in jedem Fall regelmäßig ihren Arzt aufsuchen, denn nur so kann er sie über neue Behandlungsentwicklungen informieren. Für wen welche Therapien geeignet sind, lässt sich pauschal nicht sagen. Wir haben jedoch häufig die Situation, dass Patienten ihre Therapie aufgrund von Unverträglichkeiten eigenmächtig absetzen. Generell sollte bei Patienten, die Probleme mit der regelmäßigen Einnahme ihrer Medikamente haben, über Wirkstoffe nachgedacht werden, die keine tägliche oder wöchentliche Einnahme erfordern.
Die Therapietreue spielt eine wichtige Rolle für eine erfolgreiche Behandlung. Können moderne Wirkstoffe hier im Hinblick auf Verträglichkeit und Anwendung Vorteile bieten?
- Prof. Dr. Matthias Schieker: Ja sicher, denn je einfacher und verträglicher eine Therapie ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie auch regelmäßig fortgesetzt wird.
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